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Die DJ-Szene ist ein einziger Proll-Kindergarten

Wie Discoboy Gordon das Musikbiz sieht!

Zuletzt versuchte Gordon unseren geliebten Party-Freitag zu retten. Jetzt scheint er eine neue Herausforderung in der DJ-Szene zu sehen. Denn diese scheint dem gebürtigen Hamburger gar nicht mehr das, was sie einmal war. Zumindest machte Gordon auf einem Festival jüngst eine Begegnung, die ihn sehr am Musikbusiness zweifeln ließ. Was unseren Kolumnisten so sehr schockte, erfahrt ihr jetzt.

Ich bin DJ geworden, weil ich Musik liebe und der DJ meines Heimatortes mich eines Freitag Abends anno 1990 als Vertretung vorschlug. Es fasziniert mich bis heute Menschen mit der von mir ausgesuchten und aufgelegten Schallplatte in Bewegung zu versetzen. Doch leider geht es vielfach um andere Dinge, nur nicht mehr um Musik!

Letzten Sonntag spielten wir auf einem Festival namens „Wasserfarbtraum" in Ulm. Nach unserem Auftritt erfuhr ich, dass Afrojack schlechte Laune hatte, weil nur vier statt der bestellten fünf Pizzen in seinem Zelt auf ihn warteten. Ich hatte zuvor übrigens einen Apfel gegessen. Der Holländer wollte darüber hinaus auch nicht nach LMFAO auftreten, da sie in seinen Augen Kasper sind. Also wurde das Wochen zuvor online veröffentlichte Line-Up umgestellt. Ich vermute, dass er in Wahrheit asap wieder in seinen Privatjet wollte. Die LMFAO-Crew nutzte die Zeit, um die im Artitst Rider bestellten 40 Flaschen Patronas Tequila (à 70 Euro) sowie 30 Handtücher aus ägyptischer Seide, übrigens eingeschweißt, mit Original Etikett, im Kofferraum ihrer drei Mercedes Transporter (!!!) verschwinden zu lassen. Während andere DJs hier und da 50 Euro hinzuverdienen, weil sie billig reisen und von der ausgemachten Reisekosten-Pauschale etwas übrig behalten, kassieren andere dank umfangreicher Artist Rider zusätzlich ab, wenn sie die Sachen nach der Party vermutlich bei Ebay verticken. Bevor Du nun aber anfängst, Deinen eigenen Artist Rider für das Wochenende aufzustocken: Das alles, was Du forderst, klappt erst ab einer fünfstelligen Gage. Also vergiss es.

Noch mehr krasse Geschichten aus der Welt des DJ-Jet Sets hörte ich am nächsten Tag. Auf der Rückfahrt zum Flughafen zog mein Fahrer so richtig vom Leder. So besteht ein gewisser David Guetta, aufmerksame Leser meiner Beiträge kennen ihn schon, auf einen Learjet für 15 Personen, auch wenn er alleine ist und einer Suite von mindestens 100 Quadratmetern Größe. Da im Umkreis kein Hotel so viel Raum anbietet, wurde kurzerhand eine Villa angemietet. Bestimmt brauchen seine großen Ideen so viel Platz. Die Musik macht's möglich, steht aber längst nicht mehr im Mittelpunkt. Zu hören auch auf DGs neuen Produktionen, wo aktuell nur Wiederaufgewärmtes („Shot Me Down") und Wiedergekäutes („Work Hard Play Hard") auf die Teller kommt. Wie sollen bei den vielen Nebenkriegsschauplätzen auch kreative und frisch zubereitete Titel entstehen? Der Mann hat anscheinend zu viele andere Sorgen, wie Zimmergröße und Learjet-Betankung! Es tut eben nicht jedem David gut, wenn er zum Goliath wird!

Einmal fragte ihn mein Chauffeur, wann Monsieur denn fertig sei, um direkt im Anschluss an seinen Auftritt zurück zum Flieger gebracht zu werden. Nach einem Blick auf das Display des CD-Players sagte David: „In exakt drei Minuten und 30 Sekunden." Daraus schloss der kluge Mann, der mir diese Geschichte zutrug, dass der DJ aus Paris tatsächlich nur ein vorgefertigtes Set abdudelte und als einzige Arbeit ab und an die Hände in die Luft hielt. Dafür erhält er am Ende gut und gerne eine halbe Million Euro. Ohne Reisekosten! Von mir aus soll jeder das Beste aus seinen Fähigkeiten machen und dafür angemessen entlohnt werden. Aber selbst wenn ich seine beeindruckende Historie, die vielen Hits, die er zweifelsohne rausgebracht hat, sowie die Zahl der Menschen, die durch die Ankündigung seines Namens mobilisiert werden, addiere, komme ich zu dem Ergebnis, dass hier nicht alles im Lot ist. Aber bevor ich mich darüber aufrege, summe ich lieber „Just A Little More Love" vor mich hin.

Noch ein Beispiel? Beim letztjährigen Alpha-Rave in Schwerin sollten eigentlich Martin Garrix und Danny Avila spielen. Jedoch entbrannte ein Streit, wer zuoberst auf der Werbung genannt werden dürfe. Das Management von Avila beschwerte sich, weil es der Meinung war, dass er ein Anrecht auf den obersten Platz hätte. Vor ATB, Westbam und allen anderen. Garrix hielt aber mit seinem Top Ten Hit „Animals" den größeren Trumpf in den Händen. Ergebnis: Avila wurde ausgeladen wegen der zu kleinen Punktgröße seines Logos auf den Werbemitteln! Dabei stehen die beiden noch ganz am Anfang ihrer Karriere. Vor gut einem Jahren kannte sie noch kein Mensch. Natürlich gab es im DJ-Zirkus immer schon Diven. So saßen vor rund 15 Jahren die beiden „Masters At Work" in ihrem Hotelzimmer in Stuttgart und weigerten sich aufzutreten, so lange der Veranstalter nicht ihre fünftstellige Gage in Dollar übergab. Mit D-Mark wollte man sich nicht zufrieden geben. Heute gibt es viel mehr sogenannte DJs, die binnen kürzester Zeit den Express-Lift auf die Hauptbühne genommen haben. Anstatt sich auf den Inhalt, also die Musik, zu konzentrieren, wird sich über Pizza, Mietwagen und Quadratmeter aufgeregt. Es geht darum, wer den größten Learjet und nicht den größten Hit hat. Geld verdirbt den Charakter und demnächst auch die Clubkultur. Der VIP-Bereich wird zur Kita, was irgendwo verständlich ist, weil die Stars immer jünger werden. Ich habe mich schon beworben für einen Job als DJ-Babysitter diesen Festival-Sommer! 

Ernstgemeinte Angebote bitte an: gordon@discoboys.de

Fotos: virtualnights.com

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